Filmkritik: Mickey 17
Wie fühlt es sich an, zu sterben? Mickey Barnes (Robert Pattinson) weiss es ganz genau – denn es ist sein Job. Als menschliches Versuchskaninchen stirbt er immer wieder, um erneut gedruckt zu werden. In Mickey 17, dem neuen Sci–Fi-Spektakel von Parasite-Regisseur Bong Joon-ho, wird der Tod zur Routine – und zum Problem.
Henry Eberhard
Wie fühlt es sich an, zu sterben? Mickey Barnes (Robert Pattinson) weiss es ganz genau – denn es ist sein Job. Als menschliches Versuchskaninchen stirbt er immer wieder, um erneut gedruckt zu werden. In Mickey 17, dem neuen Sci-Fi-Spektakel von Parasite-Regisseur Bong Joon-ho, wird der Tod zur Routine – und zum Problem.
Sechs Jahre nach Parasite, dem ersten nicht-englischsprachigen Film, der mit dem Oscar für den besten Film ausgezeichnet wurde, kehrt Bong Joon-ho mit einem neuen, visuell eindrucksvollen Werk zurück: Mickey 17. Der südkoreanische Regisseur, der mit seiner bitterbösen Gesellschaftssatire Filmgeschichte schrieb, bleibt seinem Hang zu stilistischen und inhaltlichen Grenzgängen treu – diesmal jedoch in englischer Sprache, wie schon bei Snowpiercer und Okja.
Manche leben für ihren Job – er stirbt für seinen
Mickey 17, die Adaption von Edward Ashtons Roman Mickey 7, spielt im Jahr 2054, in dem viele Menschen die Erde verlassen möchten, um den Planeten «Nilfheim» zu kolonisieren. Wer sich der Mission anschliesst, bringt entweder blinden Glauben an Expeditionsleiter Kenneth Marshall (Mark Ruffalo) mit oder verfügt über nützliche Fähigkeiten. Robert Pattinsons Charakter Mickey hingegen übernimmt die Arbeit, die niemand will: zu sterben.
Nach jedem tödlichen Einsatz wird ein neuer Klon aus dem Biodrucker erstellt, der über alle Erinnerungen seiner Vorgänger verfügt. So gelingt es Mickey sogar, eine Beziehung zu Nasha (Naomi Ackie) zu führen. Doch als Mickey 17 bei einer Mission in eine Gletscherspalte stürzt und für tot erklärt wird, wird ein neuer Klon – Mickey 18 – produziert. Bald schon treffen die beiden Mickeys aufeinander, wenig erfreut über die Existenz des jeweils anderen. Doppelgänger dürfen nicht existieren. Wenn das auffliegt, werden beide gelöscht – ein endgültiger Tod droht. Das Problem: keiner der beiden Mickeys will sich opfern.
(Trailer: https://youtu.be/CuXS7eSsZ8Q?si=EA0tG3Dwqf6_sCDZ)
Ein Spiel mit Stilbrüchen und Kontrasten
Regisseur Bong Joon-ho bleibt sich treu: Mickey 17 ist ein Film, der sich visuell und thematisch an keine Konventionen hält – genau darin liegt seine Faszination, aber auch sein Stolperpotenzial. Joon-ho kombiniert kühle, sterile Bilder mit surrealen Elementen und schafft so eine beklemmende Atmosphäre, die Entfremdung und Gefangensein spürbar macht.
Wie schon bei seinem Erfolg Parasite spielt Joon-ho auch in Mickey 17 mit Stilbrüchen. Der Film springt gekonnt zwischen satirischer Überzeichnung, schwarzem Humor und bitterem Drama. Brutale Ausbrüche aus dem Nichts, bringen einen mit ihrer Absurdität fast schon zum Lachen. Diese Wechsel zwischen Satire, Komik und Drama sind nicht immer nahtlos, werden aber von der Musik geschickt unterstützt. Der Soundtrack akzentuiert die Kontraste und trägt entscheidend zur Stimmung bei.
Getragen von einem starken wandelbaren Pattinson und narzisstischen Ruffalo
Robert Pattinson ist seit Filmen wie Tenet, Batman oder The Lighthouse schon längst nicht mehr einfach der blasse Typ aus Twilight und das beweist er abermals. Jede Version seines Mickeys hat eine eigene Färbung – mal sensibel, mal stumpf, mal brutal. Besonders die Konfrontation zwischen Mickey 17 und 18 bietet ihm Raum für spannende Nuancen.
Seit Poor Things hat Mark Ruffalo offenbar eine Vorliebe für unsympathische Rollen entwickelt – und das zahlt sich aus. Seine Darstellung des narzisstischen, grössenwahnsinnigen Herrschers ist ebenso überzeichnet wie fesselnd, irgendwo zwischen Karikatur und bitterem Ernst.
Die politische Ebene des Films ist alles andere als subtil: Kolonialisierung, respektloser Umgang mit fremdem Leben, skrupellose Herrscher – die Kritik an Menschheit und Politik wird einem regelrecht ins Gesicht gedrückt. Herrscher Kenneth Marshall wirkt wie ein Mashup aus bekannten Diktatoren und einem besonders selbstverliebten US-Amerikaner – samt orangenem Teint und aufgeblasener Selbstinszenierung.
Mickey 17 ist ein visuell kraftvoller, erzählerisch ambitionierter Genre-Mix mit klarer Handschrift. Die Erzählstruktur holpert zwar stellenweise, doch Stil, Ideenreichtum und ein starker Robert Pattinson machen das wett. Wer sich auf die Mischung aus Satire, Sci-Fi und Absurdität einlässt, erlebt ein eigensinniges Kinoexperiment, das nachhallt.
ZHAW-Note: 5/6
by
Alias-Studierende der ZHAW
Technikumsstrasse 81/83
8400 Winterthur