Weihnachtliche Besinnlichkeit bei Höchsttemperaturen

Es war einmal vor langer Zeit, als Corona nur eine Biermarke war… 

Der weltbekannte Refrain von «Feliz Navidad» schallt durch den Raum. Ach, wie witzig, da hat jemand wohl den nervigsten Weckton für die Weihnachtszeit rausgesucht. Gerne würde ich noch etwas weiterschlafen, aber jetzt bin ich wach. Neben mir schnarcht noch jemand, über mir im Kajütenbett packt bereits jemand den Rucksack. Seit einigen Monaten bin ich auf der Südhalbkugel unterwegs, aber an diese Hostel-Schlafsäle habe ich mich noch nicht gewöhnen können. Egal, heute muss ich ohnehin früh raus. Gemeinsam mit meiner Reisegruppe wandere ich heute vor Sonnenaufgang um den Uluru. Der Uluru ist der heilige Berg der Aborigines, mitten im roten Zentrum Australiens. Mitte Dezember steigen die Temperaturen tagsüber auf über 40 Grad an. Deshalb brechen wir lange vor dem Morgengrauen auf. Wir wollen den Uluru umrunden, solange es noch nicht heiss ist und werden etwa bei Sonnenaufgang fertig sein. 
Auf dem Weg ins Badezimmer höre ich das Radio der Reception. Daraus singt Mariah Carey «All I want for Christmas is you». Wie absurd, denk ich mir, in wenigen Tagen ist Weihnachten und ich erlebe Sommertemperaturen wie noch nie zuvor. Ausgerechnet ich, ein Super-Fan von verschneiten Weihnachtstagen. Ich schaue den Festtagen mit etwas Angst entgegen. Nicht nur weil es die erste Sommer-Weihnacht für mich ist, auch weil ich weit weg bin von den üblichen Familienfeiern und Traditionen. 

Mit dem Bus fahren wir einige Dutzend Kilometer bis zum Start des Rundwegs. Jemand hat ein Handy mit Weihnachtsplaylist am Audiokabel angeschlossen. Einige schlafen, andere singen schief mit zu «Last Christmas». Ich döse weg, bis ich einige Zeit später bemerke, dass der Bus hält. Nun liegt er vor uns, ein grosser, flacher Berg. Im Halbdunkeln sieht er braungrau aus und wirkt wie eine schlafende Gestalt. Der Bus leert sich, alle laufen langsam, aber gemächlich los. Erst wird viel geschwatzt, einige sprechen über die nächsten Reisepläne, andere summen immer noch Weihnachtslieder. Schritt für Schritt umrunden wir diesen Stein, der Millionen von Jahre alt ist. Je länger wir laufen, desto weniger werden die Gespräche. Im helleren Licht wechselt die Farbe des Gesteins langsam von braun zu orange. Der Uluru ist eine der heiligen Stätten der Aborigines. Einige Stellen nutzen sie noch heute, um Rituale durchzuführen. Die Kraft und Magie, welche sie mit diesem Berg verbinden ist an diesem Morgen spürbar. Und so ergreift mich und meine Mitreisenden eine tiefe Besinnlichkeit. Eine innere Ruhe, wie man sie am verschneiten Weihnachtsmorgen verspürt. Nur eben, Down Under im Sommer. 

Laura Koller

“Erfahrung sammeln, Feedback erhalten und meine Leidenschaften mit anderen teilen. Diese Gründe haben mich zu ZAKK geführt. Denn mit einem attraktiven Studi-Medium erlebt man das Studentenleben abwechslungsreicher und lebendiger.”