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15.04.2023, Autorin: Sophie Wagner
Die Angst, etwas zu verpassen oder womöglich allein zu sein, treibt mich an, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Aber zu welchem Preis?
Kochen – reiner Zeitaufwand. Abgesehen davon, dass mir das Zubereiten (aka Wasser aufkochen) und das 8 bis 10-minütige Warten, bis meine Pasta al dente ist, so überhaupt keinen Spass bereitet, erschwert es auch die Möglichkeit, nebenbei noch mindestens zwei weitere Sachen zu erledigen.
Lenk’ mich ab
Manchmal kommt es mir so vor, als würde ich diese Momente suchen, sie absichtlich herauskitzeln. Wenn ich während der Politikvorlesung einen neuen Tab im Safari öffne, um nach möglichen Auslandpraktika zu suchen, dann aber von der Vorlesung eine semirelevante Information aufschnappe, fünf weitere WhatsApp-Nachrichten auf meinem Bildschirm aufpoppen, da wir im Gruppenchat gerade eine Debatte darüber führen, wie unnötig es heute war, in die Vorlesung zu kommen, eine Idee für eine neue Podcast Folge notiere, versuche meinen Google Kalender zu strukturieren und dabei eine kleine Existenzkrise schiebe, da ich merke, dass mein Tag ebenso nur 24 Stunden hat und ich eigentlich meiner Sitznachbar:in zuhören sollte, da sie seit gut fünf Minuten mit mir redet.
Die Unfähigkeit, Prioritäten zu setzen
Niemand zwingt mich, all diese Aufgaben zu erledigen. Jedenfalls nicht zur gleichen Zeit. Liegt es an meinem Wunsch es allen, mitsamt mir selbst, recht zu machen oder eher daran, dass ich mich nicht entscheiden kann? Ich gebe mir nicht die Zeit, um drüber nachzudenken, was zwischen Leistungsnachweisen, Wäsche waschen, einem Treffen mit Studikolleg:innen und einer tiefgründigen Recherche über Kegelrobben (wirklich schnuckelige Tiere), am dringendsten ist. Also wage ich, den schon zu Beginn zum Scheitern verurteilten Versuch, alles parallel zu erledigen. Ich fordere die schon existierende Reizüberflutung an Informationen und Emotionen heraus und rede mir dabei ein, dass ich einen gewissen Stresspegel brauche. Brauche wofür?
FOMO kicks in
Obschon ich keine Kapazität für einen weiteren Job habe, durchforste ich jegliche Jobplattformen. Auf der einen Seite sehe ich die finanziellen Schwierigkeiten und auf der anderen auch die Angst beruflich eine Chance zu verpassen. FOMO mag mich zwar antreiben und motivieren, Neues auszuprobieren, und ermutigt mich dazu, eine gewisse Risikobereitschaft an den Tag zu legen, aber wie viel ist das wert, wenn ich schlussendlich kein Gefühl mehr dafür habe, was ich eigentlich mal machen wollte?
Zu welchem Preis?
Erschöpfung. Ich bin müde jeden Tag und wenn ich mal ausschlafen kann, schlafe ich bis nachmittags. Das Gefühl nicht genug zu tun, lässt keineswegs nach. Ich müsste eigentlich fürs Studium lernen und dann noch dies und jenes erledigen, aber nein ich sitze hier im Bett und starre die Wand an. Vor lauter machen, machen, machen schaffe ich gar nichts mehr. Ich nehme mir nicht die Zeit, mir eine warme Mahlzeit zu kochen oder mal entspannt im Bett zu liegen, ohne es mir übelzunehmen. Ich gebe mir keine Freizeit, wenn ich diese nicht mit jemand anderem nutze. Ein Abend für mich allein? Ich arbeite.
Jedes «Ja» zu einer Sache bedeutet auch ein «Nein» zu einer anderen. Ich bin also nicht unfähig, Prioritäten zu setzen. Ich setze sie einfach so, dass selbst grundlegenden Tätigkeiten wie das Kochen anstrengend erscheinen.
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Alias-Studierende der ZHAW
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