Frontsänger Matty Healy mit dem aufwändigen Bühnenbild im Hintergrund.
Foto: Laura Marta
24.05.2024, Autorin: Laura Marta
The 1975 – Still.. at their very best: Der (Tour-) Name hält, was er verspricht. Die britische Indie-Band hat Zürich auf ihrer aktuellen Tour zum vierten Mal einen Besuch abgestattet und bewiesen, dass sie nicht ohne Grund seit gut 11 Jahren einen permanenten Platz auf den Playlists vieler Musikliebhaber:innen hat.
Das Zürcher Hallenstadion ist brechend voll mit Fans aller Altersklassen. Beim Anblick mancher Anwesenden kommt einem direkt der Text der Single “Part of the Band” – “I know some Vaccinista tote bag chic baristas. Sitting in east on their communista keisters”– in den Sinn (zu denen zähle ich mich auch). Andere entsprechen dem Stereotyp einer Person, die auch auf der Generalversammlung einer Bank sitzen könnte. Doch eines haben alle gemeinsam: Sie können es kaum erwarten, die Indie-Ikonen live erleben zu dürfen.
Pünktlich um 19:30 Uhr beginnt die New Yorker Vorband “Been Stellar”, deren Frontsänger in Zürich aufgewachsen ist, das Publikum aufzuwärmen. Dies gelingt mit ihrem Sound, der irgendwo zwischen Punk, Shoegaze, Dream Pop und Grunge einzuordnen ist und stark an musikalische Grössen wie “Sonic Youth” und “Nirvana” erinnert .
Kaum hat der junge Act die Bühne verlassen, beginnt eine kurze Pause. Danach lassen Matty Healy, George Daniel, Adam Hann, Ross MacDonald und Polly Money nicht mehr lange auf sich warten – anders als man es sich von grossen Künstler:innen gewohnt ist. Der schwarze Vorhang, auf dem bis dahin mit einem Spotlight der Bandname projiziert wurde, lichtet sich. Dahinter verbirgt sich die Nachstellung eines Hauses, welches aus den Träumen eines jeden Innenarchitektur-Enthusiasten (mit einer Vorliebe für die 80er) entsprungen sein könnte. Von den weissen Wänden, bis zum vollen Bücherregal, einem eleganten Sofa und der essenziellen Bar fehlt nichts. Der schwedische Bühnendesigner Tobias Rylander hat ganze Arbeit geleistet. Nach und nach kommen die Bandmitglieder auf die Bühne, während ihre Namen wie beim Intro einer Sitcom auf der riesigen Leinwand eingeblendet werden. Der Frontsänger Matty Healy macht sich den ersten von vielen Drinks und das Konzert kann beginnen.
Irgendwo zwischen Samuel-Beckett-Theaterstück und Satire
Die fünfte Tour der Briten unterstützt das 2022 erschienene Projekt «Being Funny In a Foreign Language». Wie jedes Album der Band, wird auch dieses von einem Lied mit dem Titel «The 1975» eröffnet, welches auch die Show einläutet. “I’m sorry about my twenties, I was learnin’ the ropes I had a tendency of thinking ’bout it after I spoke. We’re experiencin’ life through the postmodern lens”, singt der kontroverse Sänger der Band darin. Im Anschluss des zweiten Songs “Looking for Somebody (To Love)”, wird ein alter Fernsehapparat angemacht, welcher ausschliesslich schlechte Nachrichten verkündet.
Matty Healy, charismatischer Frontsänger und mein Teenie-Crush, fällt immer wieder mit fragwürdigem Verhalten auf.
Foto: Laura Marta
Schon vor der ersten Hälfte ist der Sänger sichtlich beschwipst und hat Schwierigkeiten damit, seinen Flachmann zu öffnen. Wie viel davon echt ist und was nur Show, werden wir wohl nie erfahren.
Der charismatische Frontmann der Band, der 2013 mit der Hit Single «Chocolate» Millionen von Teenie-Herzen höherschlagen liess, sorgt seit einigen Jahren immer wieder für negative Schlagzeilen. Zuletzt im Sommer 2023 mit den misogynen und rassistischen Bemerkungen über die Rapperin Ice Spice, welche im Podcast «The Adam Friedland Show“ fielen, während er zu Gast war. So wurde die Künstlerin von den Hosts, Adam Friedland and Nick Mulle, als „Inuit Spice Girl“ und „Chubby Chinese Lady“ bezeichnet. Es folgten respektlose Imitationen diverser Akzente, die der Sänger mit Gelächter quittierte. Später entschuldigte er sich halbherzig während einer Show in Auckland („Ich fühle mich ein bisschen schlecht und es tut mir irgendwie ein bisschen leid, wenn ich dich verletzt habe. Ice Spice, es tut mir leid. Es ist nicht, weil es mich ärgert, dass mein Scherzen falsch verstanden wurde. Es ist, weil ich nicht möchte, dass Ice Spice denkt, ich sei ein Idiot. Ich liebe dich, Ice Spice. Es tut mir so leid“) und schob die Schuld auf den Versuch, eine Kunstfigur zu kreieren. Das kann man nun akzeptieren oder nicht.
Für mich wirkte der 34-jährige, der sich mit seinen selbstironischen Texten („Am I ironically woke? The butt of my joke? Or am I just some post-coke, average, skinny bloke calling his ego imagination?“-Part of the Band-) immer wieder selbst aufs Korn nimmt, an diesem Abend vor allem wie jemand, der immer noch mit seiner Suchtkrankheit und mentalen Problemen zu kämpfen hat. So war das einzige, was mich von dieser Zeitreise in meine Teenager-Zeit abgelenkt hat, der Wunsch, dass der gute Mann endlich eine Pause einlegen und sich ins Bett legen möge. Doch trotz allem sind The 1975 still…at their very best.
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Alias-Studierende der ZHAW
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