Typisch polnisch? (Bildmontage: Levin Geser)

Kulturschock: Polen

23.10.2024, Autor: Levin Geser

In diesem Format nehme ich euch mit auf Europareise. Wir beleuchten jedes Land innerhalb Europas auf eine kulturelle Eigenschaft: Von Feiertagen oder Bräuchen bis hin zu Musik und Cuisine. Im Fokus heute ist ein Land zwischen Mittel- und Ost-Europa, bekannt als der Geburtsort von Maria Sklodowska, besser bekannt als Marie Curie – Polen. Wir werden uns in diesem Beitrag auf den Brauch «Imieniny» fokussieren, zu Deutsch: «der Namenstag»

Der Namenstag ist nicht ein einziger bestimmter Tag. In der Schweiz hat auch jede Person irgendwann Namenstag. Meist kennen wir aber unseren nicht. Anders ist das in Polen – kaum ein anderes Land auf der Welt spricht diesem Tag so viel Bedeutung zu wie Polen.

Christlicher Ursprung

Aber mal von Anfang an: «Imieniny» entspringt, wie viele Bräuche und Feste, dem christlichen Glauben. Das fängt schon bei der Taufe an. Das Kind erhält traditionellerweise den Erst- oder Zweitnamen eines Heiligen, der das Kind ein Leben lang beschützen soll.

Laut der Volkszählung 2021 folgen fast 72 % der Pol*innen der römisch-katholischen Glaubensrichtung. Der Glaube ist bei vielen polnischen Familien noch ein grosser Bestandteil und somit sind die Namen von christlichen Heiligen und Patronen immer noch beliebt.

Zu den beliebtesten Namen in Polen zählen beispielsweise Stanislaw, ein polnischer Schutzpatron, oder Jan – als Kurzform für Johannes. Bei den Mädchen gilt Maria als zehnt-beliebtester Mädchenname 2023, auch Teresa ist ein Name, der nach wie vor hoch im Kurs liegt.

Die Feierlichkeiten

«Imieniny» wird ähnlich gefeiert, wie der Geburtstag bei uns. Freunde und Verwandte treffen sich, man bringt Kuchen und Geschenke, meist Blumen, und verbringt eine ausgelassene Zeit miteinander. Am Namenstag wünscht man sich «Wszytkiego najlepszego!» (alles Gute!) oder «Sto Lat!» (hundert Jahre!).

Die populärsten Namenstage beinhalten Andrzej, Ewa, Stanisław, Maria oder Jan. An diesen bestimmten Tagen verzeichnen die Blumenhändler*innen in Polen teils die grössten Umsätze des Jahres.

Manchmal zieht der Name auch grössere Feste mit sich – wenn man Maria heisst, wird man traditionellerweise im August an Mariä Himmelfahrt gefeiert. Das bringt dann nicht nur ein Familienfest mit sich. Ein verbreiteter Brauch ist beispielsweise die Segnung von Blumen und Kräutern, die dem Erhalt der Gesundheit gewährleisten soll. In einigen Städten kann es zu Strassenfesten kommen, mit reichlich Musik und Tanz.

Personen, die den Geburtstag feiern, werden «Jubilat» genannt. Solche, die den Namenstag feiern, werden «Solenizant» genannt. Für den Geburtstag muss man die Person schon etwas besser kennen, um eine Einladung zu erhalten. Für den Namenstag hingegen sind spontane Besuche erwünscht. Die Person, die gefeiert wird, ist meist darauf vorbereitet, dass Besuch kommt.

Wann hast du Namenstag?

Polnische Kalender helfen einem dabei, den Namenstag entsprechend zu identifizieren. In unseren Kalendern findet man wenige Feiertage, die auf ein Namensfest hinweisen. Hierbei denke ich an Mariä Himmelfahrt oder den Valentinstag. In polnischen Kalendern findet man jeden Tag einen Namen vor, der gefeiert wird. Manche Namen haben mehrere Namenstage – wenn man solch einen Namen trägt, nimmt man normalerweise denjenigen, der am nächsten zum Geburtstag steht.

«Jubilat» oder «Solenizant?»

Es ist wichtig zu sagen, dass nicht ganz Polen den Namenstag feiert. Konkrete Zahlen, wie viele ihn feiern, sind nicht auffindbar. Jedoch feiern ihn religiöse Personen mehr als unreligiöse. Menschen, die auf dem Land wohnen, wie auch die ältere Generation, sprechen dem Namenstag einen höheren Stellenwert zu, wie die jüngere Generation – bei dieser liegt der eigentliche Geburtstag mittlerweile mehr im Trend.

Heutzutage wird der Namenstag weniger als ein religiöser Akt gefeiert, sondern mehr als eine Tradition, die man beibehalten hat. Ob man ihn nun feiert oder nicht, «Imieniny» ist ein Tag, der dazu dienen soll, die Existenz eines lieben Menschen zu feiern und Leute zusammenzubringen. Er erinnert daran, wo die Wurzeln der Personen stecken, und schafft ein Gefühl von Identität.

Polen auf der Europakarte – unser erster Stopp der Reise. (Bild generiert auf mapchart.net durch Levin Geser)

Steckbrief zu Polen:

  • Hauptstadt: Warschau
  • Landessprache: Polnisch
  • Einwohnerzahl: 36’750’000 (Stand 1. Januar 2023)
  • Währung: Złoty
  • Special Fact: Die Marienburg in der nord-polnischen Stadt Malbork ist die grösste Burg der Welt