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Filmkritik: William Tell
11.12.2024, Autor: Lenard Baum
Die Neuverfilmung von Schillers «Wilhelm Tell» verspricht mit Ben Kingsley, Jonathan Pryce und Claes Bang in den Hauptrollen ein Hollywood-Action-Epos zu werden. Der nordirische Regisseur Nick Hamm hat sich ein paar künstlerische Freiheiten genommen – Wie die Schweiz zu ihrem eigenen Braveheart kommt.
Der grausame Habsburger König Albrecht (Sir Ben Kingsley) besetzt die angrenzenden Schweizer Kantone und legt der bäuerlichen Bevölkerung hohe Steuern auf. Wer nicht zahlen kann oder sich widersetzt, wird gnadenlos gejagt und getötet. So ergeht es auch dem Bauern Baumgarten (Sam Keeley), als er auf Wilhelm Tell (Claes Bang) trifft und ihn um Hilfe bittet. Der ehemalige Tempelritter Tell will nur friedvolle Tage mit seiner Frau Suna (Golshifteh Farahani), doch zurück in der Heimat kann er seine Armbrust nicht ruhen lassen. Und so beginnt Tells Kampf gegen die Habsburger und deren Vollstrecker Gessler (Connor Swindells).
Wer eine getreue Verfilmung von Schillers Vorlage oder des Mythos um Wilhelm Tell erwartet, merkt schon in der Filmbeschreibung, dass Regisseur Nick Hamm sein neuestes Werk als moderne Adaption versteht. Im Stil der animierten Beowulf-Saga (2007) mit Anthony Hopkins bis hin zu Braveheart (1995) mit Mel Gibson kann sich Nick Hamm entsprechend einige künstlerische Freiheiten nehmen gegenüber Schillers Meisterwerk. Beispielsweise, dass Tell als Tempelritter Frau und Kind aus Jerusalem mitgenommen hat oder dass die Besetzung multikulturell ist. Das sind Änderungen, die dem einen oder anderen Schiller-/Gründermythos-Fanatiker sicher nicht schmecken werden, die sich aber in einen Actionfilm wie diesen einfacher integrieren lassen als eine Originalerzählung. Erst recht, wenn zum Beispiel einige Verfolgungsszenen an Mittelerde mit seinen Bergen erinnern oder ein Spruch wie «Burn them all! Burn them all!» aus G.R.R. Martins Game of Thrones ins Gedächtnis kommt.
Was Positiv dazu auffällt, ist die sehenswerte Inszenierung von den Burgen, Schlachtszenen und den beeindruckenden Landschaftsaufnahmen, die aus Kostengründen in Südtirol gedreht wurden. Ebenso wie die Besetzung von Claes Bang als Wilhelm Tell. Der Däne spielt den kriegsgebeutelten, aber liebevollen Patrioten und Familienvater mit einer Kraft, wie sie nur ein guter Actionstar haben kann. Vor allem in den Reden und den zahlreichen blutigen Kampfszenen beeindruckt Claes Bang mit seiner Leinwandpräsenz.
Kritik:
Vor allem, wenn die Texte von Friedrich Schiller mit den hochwertigen Landschaftsbildern und den gut inszenierten Schlachtszenen zusammentreffen, besticht das Werk von Nick Hamm. Umso mehr, merkt man das, wenn eigene Dialoge hinzukommen, wo die Dialogqualität rapide abnimmt und nicht mithalten kann mit dem alten Schiller-Stoff. Zudem wirkt manche Inszenierung etwas übertrieben – insbesondere Ben Kingsleys Bond-König Albrecht.
Dass sich Hamm dazu in der modernen Adaption künstlerische Freiheiten herausnimmt, etwa dass Tell als ehemaliger Tempelritter das Kämpfen gelernt hat oder, dass Tells Frau eine grössere Rolle spielt, ist zwar historisch nicht relevant, aber für eine moderne Actionverfilmung des Gründermythos der Schweiz sehr sehenswert und unterhaltsam. So wird «William Tell» sicher nicht jeden Bünzli unterhalten, aber wie sein Hollywood-Pendant aus Schottland, kann der Film trotzdem gut unterhalten.
ZHAW-Note: 4.5/6
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Gesehen am Zürich Film Festival. Film ab dem 10.01.25 in den englischen Kinos. Schweizerfilmstart steht noch aus.
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