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Ein Einblick ins Berufsleben eines Bildredaktors: Interview mit Markus Timo Rüegg, Bildredaktor der «Linth-Zeitung»

Bei meinem Nebenjob an einer Tankstelle lernte ich den Bildredaktor Markus Timo Rüegg kennen. Auf meine Anfrage erklärte er sich sofort bereit, mir einige Fragen zu beantworten und die Aufgaben eines Bildredaktors etwas näher zu bringen.

Seit wann arbeitest du bei der Linth-Zeitung?
Begonnen habe ich meine Arbeit bei der heutigen «Linth-Zeitung» im September 1993. Damals schlossen sich die «Glarner Nachrichten» und «Der Gasterländer» zusammen. Aus der Fusion heraus entstand die «Linthpresse-Zeitung See Gaster». Ich war verantwortlich für die Verlagsleitung, das Marketing und die Werbung, und ganz so «nebenbei» habe ich auch noch als Redaktor geschrieben und fotografiert. Es war eine hundertprozentige 100-Prozent-Stelle: Permanent auf Draht, Termine zuhauf, immer unterwegs und für das Geschäft omnipräsent. Zum Glück war ich diese Hektik von meiner vorherigen Stelle als Chefredaktor von «Radio Wil» gewohnt. 1997 wurden die «Linthpresse-Zeitungen» dann vom Medienhaus Gasser aus Chur mit Hanspeter Lebrument an der Spitze übernommen. Für die heutige Somedia AG, zu der auch die «Linth-Zeitung» gehört, arbeite ich noch immer. Inzwischen sind so bereits 28 kurzweilige, spannende und intensive Jahre vergangen.

Was genau sind dort deine Aufgaben?
Als Bildredaktor bin ich für alles rund um die Themen Bild, Fotografie und Archiv verantwortlich. Daneben schreibe ich, wenn dazu noch Zeit bleibt, auch als Redaktor und Reporter eigene Geschichten, Reportagen, Kommentare und Kolumnen.

Hast du auch für andere Zeitungen gearbeitet? Wenn ja, für welche?
Ich war beim «St. Galler Volksblatt», bei der «Sport Zeitung» und beim «Lokalradio Wil», bevor ich 1993 zu meinem heutigen Arbeitgeber kam.

Wie bist du zum Schreiben gekommen? Wann hast du deine Leidenschaft dafür entdeckt?
Ich bin als erstgeborener Sohn eines Lehrers in einem kleinen, erzkatholischen Bauerndorf im Linthgebiet aufgewachsen. Lesen und Schreiben sowie Fotografieren gehörten schon früh zu meinen grossen Leidenschaften. Im Alter von12 Jahren verfasste ich bereits meine ersten Artikel für das «St. Galler Volksblatt» und den «Gasterländer», die mich als freien Korrespondenten für Vereinsabende, Kränzlis oder Sportveranstaltungen aufboten. Nach der Klosterschule absolvierte ich die Berufslehre im Detailhandel als Sportartikelverkäufer. Parallel dazu schrieb und fotografierte ich weiterhin für Zeitungen und Zeitschriften. Nach der Berufslehre stieg ich in den Journalismus ein und absolvierte die damalige Ringier-Journalistenschule in Kastanienbaum, Horw, Luzern. Meine Leidenschaft fürs Lesen, Schreiben und Fotografieren ist bis heute geblieben. 

War dir schon immer klar, dass du Journalist werden möchtest?
Der Weg dazu war zumindest vorgezeichnet. Eigentlich hätte ich Pfarrer oder Lehrer werden sollen. Lehrer wollte ich nicht werden, weil es mein Vater schon war. Und Pfarrer wäre wohl möglich gewesen, da ich schon früh gut predigen und Wein trinken konnte. Der Rest des Pfarrerseins interessierte mich weniger bis gar nicht…..;-). Also blieb mir noch der Journalismus, der von den genannten Berufen doch auch einiges vereint…

Hat das Schreiben auch in deinem Privatleben einen Platz? Schreibst du auch privat für dich?
Ich schreibe bis heute handgeschriebene Briefe, die ich an liebe Menschen innerhalb meines engeren und weniger engen Umfelds verschicke. Die Reaktionen darauf sind überwältigend: «Wow, so schön, dass ich von Dir einen Brief erhalten habe.» Wer schreibt denn in unserer digitalen Welt heute noch Briefe? Leider wenige. Und ich habe mehrere Bücher verfasst. Das jüngste heisst «Mein Weg zu Padre Pio» und ist 2020 im Somedia Buchverlag erschienen. (Anmerkung: siehe untenstehender Link) Soeben ist das Werk auch auf Italienisch erschienen (2021). Meine Leidenschaft gehört in literarischer Hinsicht den Kurzgeschichten, von denen auch verschiedene Publikationen erschienen sind (u.a. «Dreiecksgeschichten», 1991, Einsatzgeschichten», 2017).

Gibt es sonst noch etwas, das du über dich erzählen willst?

 Oh, das würde ein ganzes Buch ergeben und den Rahmen dieses kurzen Interviews sprengen. Zwei Dinge nehme ich trotzdem aus der Schatulle: Mit dem ehemaligen SP-Bundesrat Otto Stich (1927 – 2012), der von 1984 bis 1995 Mitglied des Bundesrates und Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartementes war, durfte ich für die Ostschweizer Lokalradios ein Interview führen. Er hielt sich für einen Parteianlass in St. Gallen auf und lud mich für das Interview dorthin ein. Als ich zur vereinbarten Zeit eintraf, beschied er mir, dass die Zeit für unser Gespräch nicht ausreiche, weil er in knapp einer Stunde in Buchs SG sein müsse, wo er eine Rede halten werde.

Er machte mir den Vorschlag, dass ich mit ihm nach Buchs fahren und das Interview während der Fahrt realisieren könne. Dieses spektakuläre Angebot nahm ich dankend an, und so wurden wir von seinem Chauffeur auf dem Klosterplatz in St. Gallen abgeholt und sassen kurze Zeit später interviewführend im Fond seiner Staatskarosse, einem Luxus-Mercedes mit abgedunkelten Scheiben. Meine Journalistenkollegen auf dem Klosterplatz staunten, dass ich mit dem Bundesrat wegfuhr. Otto Stich fragte mich, ob es mir etwas ausmache, wenn er während dem Interview eine Pfeife rauchen würde. Ich verneinte und erwähnte gleichzeitig, dass ich Zigarettenraucher sei. Darauf meinte er, dass sich das gut treffe und ich ja auch rauchen könne. So «qualmten und quatschten» wir zusammen bis nach Buchs. Der Chauffeur hatte zum Glück eine trennende Zwischenscheibe, mit der er sich vom qualmenden Fond abtrennen konnte…

Und was ist das Zweite, das du erwähnt hast?
Das zweite «Erlebnis» ist ein Wunsch, den ich so formuliere: Für junge angehende Berufsleute, die ihre berufliche Zukunft irgendwo in der Presselandschaft sehen, wird es immer schwieriger, sich in diesem schnell drehenden narrativen Medien-Karussell zurechtzufinden. Der Qualitätsjournalismus ist noch nicht ganz totgetreten, aber auf bestem Weg dazu. Auch wenn am Horizont der schreibenden Zunft zeitweilen Hoffnungsschimmer aufblinken, sind die Rettungsringe spärlich gestreut und meist von mehreren Ertrinkenden besetzt.

Essenziell ist aus meiner Sicht der Umstand, dass sich Medienleute das Vertrauen der Konsument *innen immer wieder neu erarbeiten müssen, um den häufig kursierenden «Fake News»- und «Lügenpresse»-Vorwürfen entgegenwirken zu können. Aus meiner Erfahrung kann sich dieses Vertrauen nur erarbeiten, wer den persönlichen Kontakt zu allen Involvierten hegt und pflegt. Dies vom Computer aus zu können, ist unrealistisch. Deshalb verstehen viele Medienleute nicht mehr, was «in der Welt draussen» passiert.

Personalmangel, Zeitdruck und die Schnelllebigkeit der Neuen Medien sind zwar deutlich sichtbar, dürfen aber nicht als Entschuldigung für fehlende Qualität gesetzt werden. Ich mache oft die Erfahrung, dass im heutigen Journalismus die Zeit fehlt, um interessante Themen zu recherchieren. Diesen Umstand zu ändern kostet Zeit und Energie, die sich wieder lohnen muss, damit Qualitätsjournalismus etwa durch eine gute Ausbildung, glaubwürdiges Auftreten und der Verpflichtung zu gewissen Standards auch in Zukunft wieder vermehrt Bestand haben kann

 

Hier findest du mehr über Markus Timo Rüeggs Buch «Mein Weg zu Padre Pio»:

https://www.suedostschweiz.ch/kultur-musik/2019-11-20/der-verlorene-lehrersohn