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«The Girl on the Train» (2021) – «Zugfahrt ins Nirgendwo»

Sechs Jahre nach dem Erscheinen von Paula Hawkins Weltbestseller «The Girl on the Train» (2015) und selbiger Verfilmung mit Emily Blunt aus dem Jahre 2016, erschien 2021 nun das Remake auf Hindi und Englisch. Corona-bedingt wurde der geplante Kinostart 2020 verschoben und erschien stattdessen am 26. Februar 2021 auf dem Streaming-Dienst Netflix, fast zwei Jahre später als ursprünglich geplant.

Schon 2016 war die Spannung auf die Verfilmung mit Emily Blunt und dem hochkarätigen Cast gross.
Von den Kritikern damals verrissen, gelang es einzig der talentierten Hauptdarstellerin Emily Blunt ein glaubwürdiges Bild einer innerlich zerrissenen Alkoholikerin abzuliefern und die Handlung einigermassen zu tragen, der Rest der Darsteller und ihre Nebenschicksale blieben eindimensional flach. «The Girl on the Train» des Regisseurs Ribhu Dasgupta stellte sich der Herausforderung, den Charakteren Leben einzuhauchen und scheiterte kläglich.

Potenzial hätte dieses Remake nämlich durchaus gehabt. Verlegt wurde die Geschichte wieder nach England in London (wie im Buch) statt in die USA nach New York, zusätzlich mit hinduistischem Hintergrund und Wurzeln.
Dem Anfang gelingt es, für kurze Zeit Spannung aufzubauen, als im Jahr 2019 eine durch den Wald rennende Frau im roten Sweater, dicht gefolgt und niedergestreckt wird von einer Person im schwarzen Sweater. Danach schwenkt die Kamera zu einer blutenden (mit schlechten Make-up-Effekten zugerichteten) Mira Kapoor, alleine am Bahnhof stehend.

Gleich darauf folgt eine Rückblende ins Jahr 2017, zu einer Hindi-Hochzeit, die an Bollywood und Kitsch nicht zu überbieten ist. Dort lernt die Protagonistin Mira ihren zukünftigen Mann Shekhar, einen Arzt, kennen und lieben. Es kommt zur Schnellfassung ihres Kennenlernens; Verlobung, Zusammenziehen, Hochzeit, Schwangerschaft. Mira ist zu dem Zeitpunkt eine erfolgreiche Rechtsanwältin und kämpft gegen den mächtigen Drogenbaron Jimmy Bagga.

 

 

Sie wird von einem schwarzen Auto verfolgt, erhält sogar Drohungen, den Prozess fallen zu lassen, was ihr besorgter Ehemann ebenfalls befürwortet. Die erfolgreiche Powerfrau, die alles hat, lässt sich davon allerdings nicht beirren und gewinnt den Strafprozess. Bagga kommt lebenslang ins Gefängnis und die hochschwangere Mira und ihr Mann werden kurz darauf von einem Auto gerammt. Durch diesen Unfall erleidet Mira eine Fehlgeburt, wird zur Alkoholikerin, verliert ihren Job und später auch ihren Mann, der sie mit Anjali betrügt und jene zu ihrer Demütigung auch noch heiratet. Leider ist der Nervenkitzel, der im Netflix-Trailer aufgebaut wird, mit der Anwaltsstory ab dem Zeitpunkt auch wieder vorbei.

Anders als das Orignal «Girl on the Train», indem sich die Geschichte auf die Liebeswirren der Protagonistin und den beiden anderen Frauen dreht, hätte dieses Remake einen aufregenden Strang mit dem Drogenkartell gehabt, der viel zu schnell wieder in den Hintergrund gerät. Ab da geht es immer mehr bergab mit Mira. Sie trinkt, stalkt ihren Ex-Mann und verliert sich auf ihrer täglichen Zugfahrt (obschon seit einem Jahr arbeitslos) in Obsessionen über das scheinbar perfekte Paar Nusrat und Anand, dass sie vom Zugfenster aus beobachtet und immer mehr von ihren eigenen verlorenen Hoffnungen in sie projiziert. Die Ärztin Nusrat verschwindet kurze Zeit später und wird ermordet im Wald aufgefunden.

Da gerät auch Mira ins Visier einer Polizistin und ihrer Crew, weil sie zur Tatzeit kein Alibi vorzuweisen hat und auch blutverschmiert am Bahnhof von der Videokamera aufgenommen worden ist.
Zudem leidet sie nach ihrer Fehlgeburt und ihrem Alkoholismus an retrograder Amnesie und kann sich nicht mehr vollständig an den fatalen Abend von Nusrats Verschwinden erinnern.

Von da an gerät der Film ins Straucheln. Zu viele Personen tauchen auf und verwirren die Handlung, sodass man ihr als Zuschauer kaum mehr folgen kann. Die Laufzeit von zwei Stunden übertrifft sogar den originalen Film und wurde deutlich unnötig in die Länge gezogen. 

Der Schauspielerin Parineeti Chopra gelingt es als Einzige des Casts, ab und an noch ein Minimum an Gefühlen zu transportieren, beispielsweise bei einem tränenreichen Treffen der Anonymen Alkoholiker. Man gewinnt den Eindruck, je tiefer ihre Gefühle und Abgründe werden, desto verschmierter werden auch ihre Smokey Eyes.
Die Bollywood-Songs, die immer wieder bei grossen Ereignissen eingespielt werden, lassen die Handlung ins Lächerliche abdriften, statt von innen heraus zu verstärken.

Alles in allem hat sich das Remake in vielen Punkten genau an die Buchvorlage gehalten, abgesehen von der Anwältin anstelle der Marketing-Fachfrau (Emily Blunt) und dem neuen Ende.
Das Finale bietet einen fragwürdigen Twist (abweichend von der Buchvorlage und dem Originalfilm), welches dermassen überzogen ist, dass mehr Fragen offengelassen, statt beantwortet werden.
Dieser Zug ist somit endgültig gegen die Wand gefahren.

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Andra Möckli

Seit klein auf, liebe ich es zu lesen und zu schreiben, ob Romane oder journalistische Texte uvm. Besonders die Themen “Kunst und Kultur” faszinieren und inspirieren mich. Bei Brainstorm habe ich die Gelegenheit, meiner Leidenschaft, dem Schreiben weiter zu folgen und in spannende Themen einzutauchen. Am Puls des Geschehens dabei zu sein und die Menschen zu informieren, unterhalten und bestenfalls inspirieren.