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Ist doch ganz normal

Einen Monat im Jahr dürfen wir uns selbst sein. So fühlt sich der Pride Month oft an. Queere Menschen bekommen die Erlaubnis von der Cis-Hetero-Gesellschaft, zu Wort zu kommen, bevor sie ab dem 01.07. wieder schweigen müssen. Von Juli bis Mai sollen wir uns anpassen, uns dem Patriarchat fügen und Teil der vom Konsum und Kapital getriebenen Masse sein.

Pride Flagge

Oft ist der Leitspruch des Pride Monats eine Version davon, dass queere Personen auch nur ganz normale Menschen sind. Normale Menschen, wie du und ich. Liebe wen du lieben willst, ist doch alles normal. Doch, wieso ist es so wichtig der Gesellschaft schon fast zu beweisen, dass wir normal sind wie sie? Und wollen wir denn normal sein? Immer wird die Queer Community als anders, komisch und abnormal gesehen. Wer entscheidet denn, wer oder was normal oder abnormal ist? Was, wenn wir stolz darauf sind, anders zu sein? Denn wenn normal sein heisst, jeden Tag anzugtragend den Kopf über die Hypothek zu zerbrechen, wer will dann normal sein? Oder heisst normal zu sein, keine Rechte und Gleichberechtigung zu wollen, keine Aufstände zu machen, weil ein alter weisser Herr über das eigene Leben bestimmt, und gleichzeitig dem unterdrückenden Staat danke zu sagen? 

Traurig ist, dass es Menschen in der Queer Community gibt, die normal sein wollen, ohne gleichzeitig zu merken, dass es die Cis-Hetero-Gesellschaft ist, die ihnen sagt, wer oder was normal ist. Bitte nicht falsch verstehen, nicht die Menschen sind traurig, die normal sein wollen, sondern es ist traurig, dass Menschen dazu manipuliert werden, normal sein zu wollen. Die Cis-Hetero-Gesellschaft manipuliert uns derart, dass sogar das grösste Pride Festival der Schweiz sich den Slogan «trans normal» ausgedacht hatte, um die Kapitalismus-Herren, die ihnen die Afterparty sponsern, zu beruhigen. 

Wer all diese rhetorischen Fragen übrigens versucht zu beantworten, hat das ganze falsch verstanden. Pride hatte damit angefangen, sich gegen die repressiven Gesetzschreibenden zu wehren, denn die erste Pride war ein Aufstand gegen Polizeigewalt und Unterdrückung. Der Pride Month ist ein Zeichen dafür, dass Ungerechtigkeit herrscht und es Veränderung braucht. Pride ist eine Erinnerung daran, dass es eben Menschen gibt, die denken, es gäbe normale und abnormale. Eine Erinnerung daran, dass Oppression und Diskriminierung für viele zum Alltag gehört. Wir demonstrieren nicht dafür, dass Fränzi sich denkt, dass wir normale Menschen sind und sie nicht vor uns Angst haben muss, sondern dafür, dass Fränzi beim Nachmittagsjassen Roger widerspricht, wenn er wieder einen transphoben Spruch macht. 

Autor*in: Simon Stettler 

«Ich schreibe gerne, um entweder Leute zu unterhalten oder um ein Thema zu diskutieren das mir wichtig ist. ZAKK bekommt von mir also entweder Kurzgeschichten oder geladene Kommentare, Kolumnen und Berichte.»