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Foto: Searchlight Pictures

Filmkritik: Emma Stone als Frankenstein? Nicht ganz!

01.11.2023, Autor: Lenard Baum

Mit „Poor Things“ startet ein Film, der mit Namen wie Marc Ruffalo, Willem Dafoe und Emma Stone aufwartet und mit einer ganz eigenen Interpretation der Frankensteingeschichte daherkommt. Regisseur Giorgos Lanthimos und Emma Stone, die diesmal sowohl Hauptdarstellerin als auch Produzentin ist, konnten für den Film schon den Hauptpreis der Filmfestspiele von Venedig einheimsen. Ob er trotz entsprechend hoher Erwartungen aber überzeugen kann, wird sich zeigen. 

Wir finden uns wieder im London des 19. Jahrhunderts. Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) gilt zwar als Genie, wenn es um den menschlichen Körper geht, zieht sich jedoch selbst aufgrund eines entstellten Gesichts weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Umso mehr freut es Max McCandles (Ramy Youssef), einen begeisterten Studenten von Dr. Baxter, als dieser ihn für ein Projekt zu sich einlädt, um ihm sein “Meisterwerk” zu präsentieren: Bella Baxter (Emma Stone). Max McCandles soll die junge Frau studieren und beobachten. Er stellt schnell fest, dass Bella zwar aussieht, wie eine erwachsene Frau, jedoch die Intelligenz eines Kleinkindes besitzt. Doch Bella Baxter lernt schnell dazu und entdeckt neben ihrem eigenen Körper auch die Lust, mehr als nur Goodwins Haus zu sehen. Als der zwielichtige Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) auftaucht und Bella verspricht, ihr die Welt zu zeigen, gerät im Hause Baxter alles durcheinander. Wie Bella die Schönheit und den Schrecken unserer Gesellschaft begegnet und sich neben der Welt, mit sozialistischen Ideen und dem aufkeimenden Feminismus auseinandersetzt, seht ihr ab dem 08.02.24 im Kino. 

Der achte Spielfilm von Regisseur Giorgos Lanthimos basiert grösstenteils auf dem gleichnamigen Roman des schottischen Autors Alasdair Gray: „Poor Things: Episodes from the Early Life of Archibald McCandless M.D. Scottish Public Health Officer“. Das Buch selbst wurde stark von Mary Shelleys Frankenstein inspiriert, wobei Alasdair Gray seine typische Sozialkritik, experimentelle Schreibweise und für seine Zeit skurrilen Humor einbrachte. Diese Mischung bringt Regisseur Lanthimos auch auf die Leinwand. 

Von den sehr eigenwilligen Kostümen, dem beeindruckenden Make-up (insbesondere bei Willem Dafoes Gesicht) bis zur Set-Gestaltung, die Städte wie Lissabon, London oder Paris wie aus einem surrealistischen Traum erscheinen lässt, «Poor Things» trumpft mit einer ganz eigenen Filmwelt auf. Diese schräge Welt kann aber schnell ins extreme einschlagen. So hat sich Lanthimos nicht zu Unrecht einen Namen als Regisseur des Bizarren gemacht. Von dem Farbwechsel aus Schwarz-Weiss zu Farbe, der detaillierten Darstellung von Sex-Szenen oder den Art-House artigen Kulissen bis hin zu Kreaturen, die teils ethisch schwer zu vertreten sind. So originell der Film von seiner Gestaltung zu seiner Geschichte ist, so ungewohnt kann er auf manch einen wirken. 

Kritik: 

Das neueste Werk des griechischen Regisseurs schafft in seiner kindlich-düsteren Welt eine Emanzipationsgeschichte, die zwischen sexuellen Erfahrungen und einer starken Darstellung schwankt. So seltsam Emma Stone als wandelndes Kleinkind anfangs auch wirken mag, umso mehr begeistert es einen, wenn sie mit offenen Augen die Schrecknisse und Schwierigkeiten der Welt für sich entdeckt. 

Man kann sich “Poor Things” vorstellen wie eine Pastell-Farbpalette à la Wes Andersons «Grand Budapest Hotel», die mit der düsteren Umgebung eines Tim-Burton-Films wie «Beetlejuice» vermischt wird und dabei noch Teile einer Frankensteingeschichte enthält. Das Ergebnis ist ein zweieinhalbstündiger Mix aus Ekel und Faszination, Schwarz-Weiß und Farbe sowie altmodischen Ideen und modernen Ansätzen. Solang man sich aber darauf einlässt, erwartet einen ein absurd-guter Film. 

ZHAW-Note: 5/6 

Foto: Searchlight Pictures

Gesehen beim Zürich Film Festival. Film ab dem 08.02.24 im Kino.