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The Driven Ones

Foto: Filmcoopi

Filmkritik: Die HSG-Getriebenen von Selbstmitleid

01.11.2023, Autor: Lenard Baum

Getrieben von Selbstmitleid

Was passiert, wenn ein Dokumentarfilmer sieben Jahre lang fünf Master-Studenten verfolgt? Was passiert, wenn diese fünf Studenten einen der besten Masterkurse für Management der Welt absolvieren? Und was passiert, wenn ein Theaterintendant sein Debüt als Dokumentarfilmer auf der Kinoleinwand gibt? Diesen Fragen geht der Dokumentarfilm «The Driven Ones» von Piet Baumgartner nach.

Der Traum vom eigenen Unternehmen, das Ziel, ein eigenes Produkt auf dem Markt zu lancieren oder sich gegen alle Widersprüche in der weissen, männerdominierten Wirtschaftsbranche durchzusetzen. „The Driven Ones“, also „die fünf Getriebenen“, aus Baumgartners neuer Doku: Feifei, Sara, Tobias, Frederic und David. So unterschiedlich ihre Hintergründe teilweise auch sind, so treibt es sie doch alle in den Management-Master-Studiengang der HSG – laut Berichten einer der schwersten Management-Master der Welt. Getrieben vom eigenen Ehrgeiz und den Erwartungen ihres privaten Umfelds in unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem zu bestehen, müssen sich die fünf schnell in der Arbeitswelt zurecht- und ihren eigenen Weg finden. Verfolgt werden die fünf Studenten von Regisseur Piet Baumgartners Kamera über einen Zeitraum von über sieben Jahren. Baumgartner selbst hat sich bis anhin in der Zürcher Theaterszene vor allem mit eigenen Stücken, dem Drehen von Musikvideos für andere Künstler und dem Dozieren an der F+F Schule für Kunst und Design einen Namen gemacht. Mit «The Driven Ones» gibt er nun sein Kino-Dokumentarfilmdebüt, welches holprig startet.

Was nach einem potenziell spannenden Einblick in einen der schwierigsten Studiengänge der HSG klingt, beginnt stattdessen eher als Werbefilm für die Universität im Grüntobel. Nachdem Regisseur Baumgartner uns die fünf Protagonist*innen in kurzen Intermezzi im Studium gezeigt hat, stürzen wir uns sogleich nach einer kurzen Abschlussfeier in ihren Arbeitsalltag. Das Problem: Baumgartner gibt uns bis Mitte des Films teilweise nicht einmal die Namen der Protagonist*innen. Eine Einblende oder gar umfangreichere Off-Texte des Regisseurs zur Einordnung werden schmerzlich vermisst. Dies zieht sich weiter durch die Arbeitswelt der Studenten. So schafft es Baumgartner mit seiner Doku teilweise nicht, sich gegen die finanzhohen Firmen seiner Protagonist*innen durchzusetzen. Dort darf die Kamera nicht rein oder hier taucht einer seiner Protagonisten aufgrund von Klauseln im neuen Vertrag für den Grossteil des Filmes bis zum Schluss ab.

Als schliesslich die teils zukünftigen CEOs beginnen, in der Finanzwelt Fuss zu fassen, schafft es Baumgartner jedoch auch, diese Welt kritisch zu hinterfragen, sei es zum Klima bis hin zum moralischen Aspekt der Stellenkürzungen. Gekonnte PR-Antworten lassen ihn dann aber doch wieder verstummen. So unschön die Einordnung der kruden Wirtschaftswelt ist, so sehenswert ist die Kameraführung des mehrfach preisgekrönten Theater-Intendanten. Von einer ausgelassenen Feier auf dem Burning Man Festival schweifen wir gekonnt zurück in die krude Firmen-Consulting-Welt. Einzig die gefärbten Haare erinnern uns an die Menschlichkeit hinter den Daten und Zahlen.

Kritik: 

Eine Doku wie diese fällt und steht mit ihren Protagonist*innen. Es stellt das Problem des Films dar, dass viele von Ihnen unberührbar bleiben. Die bewusste Entscheidung von Baumgartner, auf irgendwelche Namenseinblendungen oder Off-Texte zu verzichten, führt dazu, dass man weniger eine Bindung und schon gar keine Sympathie für die Studierenden aufbauen kann.

Einzig Feifei, die in der emotionalsten und offensten Szene der Doku über den Migrationshintergrund ihrer Familie und den damit verbundenen Druck erzählt, bewirkt etwas in einem. Dass manche der fünf es über einen Grossteil der Doku hinweg gar nicht zulassen, gefilmt zu werden, hindert das Publikum daran, einen Einblick in die umtriebige Geschäftswelt zu bekommen. Wer also die ersten 20 Minuten einen HSG-Werbefilm und danach praktisch unberührbare Privatwirtschaftler und -wirtschaftlerinnen sehen will, der ist bei dieser Doku genau richtig.

ZHAW-Note: 1.75/6 

Gesehen beim Zürich Film Festival. Doku ab dem 02.11.23 im Kino.