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Foto: Ascot Elite Entertainment

Filmkritik: Nach der Trennung in die Wüste

13.12.2023, Autor: Lenard Baum

Ingeborg Bachmann, eine der grossen Schriftstellerinnen Österreichs, war dafür bekannt, dass sie sich traditionellen Frauenbildern widersetzte. Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch war von ihr fasziniert und bat sie um ein Treffen. Es begann eine Liebesbeziehung zwischen zwei grossen Literaturikonen, die sie gleichzeitig auseinandertrieb. Ein romantisches Historiendrama zwischen Zürichsee und ägyptischer Wüste.

Es war eine Liebesgeschichte, die die Literaturwelt in Atem hielt: Max Frisch (Ronald Zehrfeld), vielen wohl aus dem Schulunterricht dank Werken wie „Andorra“ oder „Homo Faber“ bekannt, lädt eine ganz besondere Dame nach Zürich ein. Zwischen den beiden beginnt eine wilde Liebesgeschichte. Der Name der Dame: Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps), heute Besitzerin einer der wichtigsten Literaturpreise der deutschsprachigen Literatur und eine der bedeutendsten Lyrikerinnen. Wir verfolgen Bachmanns Weg in, vor und während der Beziehung. In drei ständig wechselnden Zeitsträngen erleben wir, wie eine starke Frau zur Verliebten wird, daran zerbricht und schliesslich in der Wüste Ägyptens mit ihrem neuen Geliebten, dem Theaterautor Adolf Opel (Tobias Resch), einen Neuanfang versucht.

Die bekannte deutsche Regisseurin Margarethe von Trotta, die bereits zahlreiche historische Frauenfiguren in Szene gesetzt hat, die sich stark, kämpferisch und lautstark gegen das Establishment zur Wehr gesetzt haben, kehrt mit einer mehrheitlich deutschen Besetzung zurück. Im Gespräch mit dem Schweizer Hollywood-Schauspieler Basil Eidenbenz und der Produzentin Katrin Renz eröffnet sie an der ZFF-Premiere das historische Liebesdrama mit grossen Namen auf und neben der Bühne.

Rosa Luxemburg, Hanna Arendt und nun Ingeborg Bachmann. Margaretha von Trottas Filme leben von ihren starken Frauenfiguren, die den Zuschauer auf eine emotionale Reise zwischen ihren Konflikten mitnehmen. Vicky Krieps gelingt es, diese Grande Dame der Literatur mit all ihren Gefühlswelten darzustellen, so gross die Aufgabe auch sein mag. Gleiches lässt sich über Ronald Zehrfelds biederhaften Max Frisch sagen, der sich als Liebhaber voller Red Flags entpuppt. Nur ein Problem hat von Trotta: Wären da nicht diese Briefe. Noch während der Produktion des Films tauchten die Originalbriefe zwischen dem Paar auf und wurden als Buch veröffentlicht. Etwas, das für einen so faktentreu wie möglich gehaltenen Film wie diesen von Nutzen hätte sein können, nur hatte man die Briefe nie in der Hand. Nun stellte sich heraus, dass Frisch in den Briefen Bachmann gegenüber weit weniger tyrannisch gewesen war, als von Trotta es basierend auf ihrem bisherigen Wissen darstellte. Zehrfelds Auftritt bleibt sehenswert, auch wenn er nun so manchen Literaturhistoriker wohl eher zur Weissglut treiben wird.

Von den spiessigen Zügen in Zürich über die mitreissenden Strassen Roms bis hin zu den unendlichen Weiten der ägyptischen Wüste: Die Landschaftsbilder der deutschen Produktionen entführen in die Welt Ingeborg Bachmanns. Die Bilder und die Inszenierung schaffen, bei was der Dialog leider oft scheitert. Über weite Strecken scheint es, als versuche man, die beiden literarischen Schwergewichte mit Metaphern vollzustopfen, um dann doch wieder mit ungelenken Anspielungen zu versuchen, dem Zuschauer womöglich ein Lachen zu entlocken.

Kritik: 

Das neueste Werk der inzwischen 81-jährigen Margaretha von Trotta über eine eigenständige, rebellische und historisch bedeutsame Frauenfigur überzeugt… fast. Von der wunderbaren Kameraführung bis hin zu den Darstellungen der grossen Schriftsteller, die historisch gesehen zwar nicht ganz korrekt sind, den Film aber dennoch nicht langatmig werden lassen.

In einem Strudel aus vorgelesenen Gedichten, Erinnerungsfetzen an eine Zeit vor und mit Max Frisch und Bachmanns Eindrücken während ihrer Ägyptenreise hält der Film seine Spannung. Einziger Wermutstropfen sind einige Dialogzeilen, die etwas hölzern wirken. Besonders wenn es zwischen Frisch und Bachmann zu knistern beginnt, merkt man dem Drehbuch die fehlenden Briefe an, sodass auf einmal zwei grosse Autoren eher wie zwei jugendliche Turteltäubchen klingen. Trotzdem bleibt von Trottas neuester Film sehenswert für alle Liebhaber von Max Frisch, Ingeborg Bachmann, ja eigentlich für alle Freunde der klassischen Literatur. Alle anderen dürfen sich auf eine so mitreissende wie zerstörerische Liebesgeschichte mit Anspielungen auf ihre Schulzeit freuen.

ZHAW-Note: 4.75/6 

Foto: Ascot Elite Entertainment

Gesehen beim Zürich Film Festival. Film seit dem 26.10.2023 im Kino.