Foto: MGM, MRC Entertainment

Sex, Liebe und Lügen

19.12.2023, Autor: Lenard Baum

«Saltburn» zieht die Aufmerksamkeit von Filmkritiker*innen auf sich. Nicht nur durch seine überzeugende Darsteller*innen, eine aussergewöhnliche Farbpalette und einen Soundtrack bestehend aus den frühen Pop-Hits des 21. Jahrhunderts, sondern auch durch seine so durchtriebene wie unvorhersehbare Story.

Oliver Quick (Barry Keoghan) weiss zunächst nicht so recht, wie er sich an der renommierten Universität Oxford zurechtfinden soll. Eher schüchtern und als armer Junge abgestempelt, gilt er als Aussenseiter, bis er schliesslich auf den ebenso reichen wie gutaussehenden Felix Catton (Jacob Elordi) trifft. Die ungleichen Freunde scheinen, wie geschaffen füreinander. So beschliesst Felix schliesslich, Oliver auf sein Familienanwesen «Saltburn» einzuladen. Ein grosses, altes englisches Herrenhaus, dass ebenso viele Geheimnisse und Persönlichkeiten birgt wie Felix’ Familie. Doch nicht nur Oliver lernt dazu, auch Felix versucht seinen Gast zu verstehen und stösst dabei auf Geheimnisse, die der schüchterne Junge lieber für sich behalten wollte. Wenn eine Romanze zum Drama wird und in einem Thriller endet.

In den letzten Jahren wurde das Konzept “Eat the Rich” (deutsch: “Friss die Reichen”) im Kino immer populärer. Angefangen beim Oscar-Gewinner für den besten Film «Parasite» von 2019, dem grossen Film der Filmfestspiele von Cannes 2022 «Triangle of Sadness» oder der erfolgreichen Krimi-Saga von Netflix mit Daniel Craig «Knives Out». Was all diese Filme verbindet, ist neben der Tatsache, dass sie alle sehr erfolgreich waren, die Geschichten: alle handeln davon, wie die Armen es den Reichen der Welt zeigen. In eine ähnliche Richtung geht überraschenderweise auch «Saltburn», wobei der Film eher im letzten Drittel mit unerwarteten Twists aufwartet. Ein Film also, der doch einige Überraschungen bereithält, vor allem im erotischen Bereich (so enthält der Film eine Badeszene, die man nicht so schnell vergisst..).

Der Zweite Spielfilm der Regisseurin Emerald Fennell löst bei den Kritiker*innen eine Mischung aus Abscheu und Applaus aus. Auf der einen Seite steht ein sehr gut geschriebenes Drehbuch, das Assoziationen an «Nightcrawler» weckt, eine Farbpalette, die eher an «Call me by your Name» erinnert und eine Besetzung voller grosser Namen von Rosamund Pike aus «Gone Girl» über Richard E. Grant aus «Bram Stokers Dracula» bis hin zu Carey Mulligan aus «The Great Gatsby», die allesamt zu überzeugen wissen. Auf der anderen Seite stehen Szenen, die mit ihrer Vulgarität für viele sicherlich den Hollywood-Bogen überspannen und manche eher an Art-House-Kino erinnern. So gibt es neben der bereits erwähnten Badeszene noch einige andere, die für manche zu viel des Guten sein werden.

Kritik: 

«Saltburn» ist ein Film, der vielen zu weit geht und konservative Gemüter aufrütteln wird. Es ist aber auch ein Film, der seine Zuschauer zu überraschen weiss und bis zum bitteren Ende den Atem anhalten lässt. Für alle, die es geschafft haben, den Barry Keoghan-Erfolgszug durch Hollywood zu übersehen, liegt hier ein Film vor, der dies erneut untermauert und darüber hinaus Jacob Elordis Charme und schauspielerisches Können wie kaum ein anderer unter Beweis stellt.

Mit einem sehr gelungenen Schnitt, einer Farbpalette, die so vielfältig ist wie Barry Keoghans Performance und einer beeindruckenden Besetzung, bleibt der Film für den Zuschauende einer der krassesten und überraschendsten Filme des Jahres. Das alles entschädigt sogar die Tatsache, dass ich mir nicht mehr in Ruhe eine Badewanne anschauen kann. Wer sich nicht von teils etwas willkürlich wie künstlerisch hochstehend wirkenden Sexszenen abschrecken lässt, sollte den Film für sich ausprobieren und sich überraschen lassen.

ZHAW-Note: 5.5/6 

Foto: MGM, MRC Entertainment

Gesehen beim Zürich Film Festival. Film ab dem 22.12.23 auf Prime Video verfügbar.