Foto: Studiocanal

Von Winslet und Lee

Filmkritik: Lee – Die Fotografin

20.10.2024, Autor: Lenard Baum

Kate Winslet bringt in «Lee – Die Fotografin» das bewegte Leben von Lee Miller, einer Pionierin der Kriegsfotografie, auf die Leinwand. Die Biografie schildert Millers Aufstieg vom Model zur Kriegsberichterstatterin und zeigt sowohl ihre persönliche als auch ihre berufliche Transformation.

Alles begann mit einem Schreibtisch. Als Kate Winslet von Bekannten den Tisch von Lee Miller erwarb, begann sie, sich intensiver mit deren Leben auseinanderzusetzen. Durch den Kontakt zu Anthony Penrose, Millers Sohn und Biograf, entstand die Idee, einen Film über das Leben dieser faszinierenden Frau zu drehen. Der Film erzählt Millers Reise vom Model und Muse berühmter Künstler wie Pablo Picasso bis hin zu den Gräueln, die sie als Kriegsfotografin an den Frontlinien Europas erlebte.

Die schauspielerische Leistung von Kate Winslet ist ohne Zweifel das Herzstück des Films. Winslet bringt die emotionale Tiefe und innere Zerrissenheit Millers, die in einer Welt der Extreme lebte, mit grosser Überzeugungskraft auf die Leinwand. Besonders eindrucksvoll ist ihre Darstellung von Millers Wandel, als die Fotografin von den modischen Annehmlichkeiten des Lebens in Südfrankreich an die brutalen Fronten des Krieges geführt wird. Winslet schafft es, Millers innere Kämpfe, ihren Eifer und ihre zerstörerischen Dämonen glaubhaft darzustellen. Es ist eine emotional dichte, oft selbstzerstörerische Reise, die das Publikum von Seiten Winslets erlebt.

Auch Andy Samberg als David E. Scherman, Millers enger Freund und Kollege, überrascht mit einer vielschichtigen und bodenständigen Darstellung. Samberg, der hauptsächlich als Comedian bekannt ist, meistert die ernste Rolle mit überraschender Tiefe. Die Chemie zwischen Winslet und Samberg verleiht den Kriegsszenen einen Hauch von Menschlichkeit inmitten der schockierenden Kriegsszenen, die Ellen Kuras sehr gut inszeniert. Die Regisseurin schafft es, insbesondere die erschütternden Kriegsbilder und Millers persönliche Geschichte dazwischen in stark wirkenden Szenen zu vereinen, die den Zuschauer nachhaltig bewegen.

Kritik: 

Trotz der beeindruckenden Darbietung und der bewegenden Geschichte kämpft „Lee – Die Fotografin“ mit einigen erzählerischen Schwächen. Vor allem zu Beginn des Films wirken die Dialoge teils klischeehaft und die Struktur folgt einer konventionellen Biopic-Erzählweise, die wenig Raum für Überraschungen lässt. Allerdings wird dies durch die packenden Kriegsszenen und Millers aussergewöhnliches Leben weitgehend wettgemacht. Besonders die Darstellung der Gräuel des Krieges und die emotionalen Momente, die Miller erlebte, sind eindringlich und hinterlassen einen tiefen Eindruck.

Die Stärke des Films liegt weniger in seiner Einzigartigkeit als in der intensiven Darstellung von Millers innerem Konflikt zwischen den Fronten und den Schrecken des Krieges. Winslets facettenreiche Darstellung macht den Film zu einem bewegenden Porträt einer komplexen, von ihrer Zeit geprägten Frau. Vom abenteuerlustigen Model über die heldenhafte Fotografin bis hin zur emotionalen Zerstörerin Lee Miller spiegelt sie das gesamte Spektrum einer ebenso vielschichtigen wie komplexen Protagonistin wider. So trägt Kate diesen Film und seine Produktion – sehenswert.

ZHAW-Note: 5/6 

Foto: Studiocanal

Gesehen am Zürich Film Festival. Film ab dem 14.10.24 in den Deutschschweizer Kinos.