Foto: Ascot Eliot Entertainment

Die Schweiz und ihre Schuld

Filmkritik: Landesverräter

06.12.2024, Autor: Lenard Baum

In seinem neusten Werk zeichnet Michael Krummenacher das bewegte Schicksal von Ernst Schrämli nach, dem ersten Schweizer Landesverräter im Zweiten Weltkrieg. Mit stilistischer Präzision und musikalischen Einlagen wirft der Film ein kritisches Licht auf die Schweizer Geschichte.

Ernst Schrämli (Dimitri Krebs) war ein „armer Teufel“, wie man in seiner St. Galler Heimat sagt. Von zu Hause rausgeschmissen und immer mit wenig Geld unterwegs, träumte Schrämli von einer Karriere als Sänger. So war er gesegnet mit einr schönen Stimme. Als ihm schliesslich der Deutsche August Schmid an einem Nazitreffen in St. Gallen gegen gewisse Informationen eine solche Karriere in Aussicht stellt, ist Ernst Schrämli bereit, diesen Weg zu gehen. Er wird von den Deutschen nicht schlecht bezahlt, aber der Preis für seine Informationen ist hoch. Sein Leben wird als erstes von siebzehn wegen Landesverrats hingerichteten Personen in die Schweizer Geschichte eingehen. Wie gerecht das war, untersucht Regisseur Krummenacher.

So inszeniert der Innerschweizer Regisseur Krummenacher, die tragische Figur Schrämli, welche im Film zwischen Selbstreflexion und moralischer Integrität zerrissen wird. Eine Aufgabe, die der Laiendarsteller Dimitri Krebs eindrücklich meistert und uns so die zerrissene Persona vor Augen führt. Der „Landesverräter“ Schrämli gerät so ins Visier der Schweizer Behörden, während die Schweiz genau solche Waffen liefert. Ein Widerspruch, den Krummenacher schon früh ins Zentrum seiner Handlung stellt. So stellt sich Krebs nicht nur als Feind der Helvetischen Republik dar, sondern vielmehr als Spiegel der Doppelmoral eines Staates, der von Neutralität spricht und doch davon profitiert. Eine schwerwiegende Botschaft, die Krummenacher in seinem Film anhand von Figuren wie Schrämlis Vormund Roman Graf (Stefan Gubser) oder seiner Geliebten Gerti Zanneli (Luna Wedler) einfängt.

Rein visuell und stilistisch prägt vor allem Krummenachers Vergangenheit als Theaterregisseur den Film. Sei es der Beginn mit einem warmen Orangeton auf der Leinwand, der sich mit zunehmender Spannung des Films in ein dunkles Grau und Blau verwandelt. Er unterstreicht die emotionale und historische Spannung des Films und seiner Zeit. Das theatralische Element kommt durch seine musikalischen Einlagen, auch Intermezzi, noch stärker zum Vorschein. So lässt er wie im Theater mit Farbe den Vorhang fallen und setzt, ausgehend von Schrämli selbst, einen erzählerischen Rahmen wie bei einer Aufführung im Opernhaus Zürich. Theaterbesuchern ist dieses Vorgehen vertraut, in einem Spielfilm wird es sicher manchen irritieren oder gar verwirren.

Kritik: 

„Landesverräter“ ist ein mutiges, künstlerisch Werk, das es schafft, die Widersprüche der Schweizer Kriegsgeschichte zu beleuchten. Krummenacher gelingt es, den historischen Ernst Schrämli als individuellen Charakter mit Schwächen und Hoffnungen darzustellen und ihn gleichzeitig als Symbol der Zeit zu etablieren. Die Ästhetik des Films – sei es durch den bewussten Einsatz von Farben oder durch die musikalischen Elemente – verleiht ihm eine sehr eigene Handschrift. Allerdings mag die Mischung aus Theater und Film nicht jeden Geschmack treffen.

So nimmt sich Krummenbacher hier schon etwas raus aus der Schweizer Geschichte und doch, ist dieser kritischer Blick, einen filmisch interessanten Anstoss welcher die grosse Masse – durch seine Zusatzelemente – versagt bleibt.

ZHAW-Note: 4.5/6 

Foto: Ascot Eliot Entertainment

Gesehen am Zürich Film Festival. Film seit dem 24.10.24 in den Deutschschweizer Kinos.