Typisch schottisch?
Bildmontage: Levin Geser
05.12.2024, Autor: Levin Geser
Die Europareise geht noch weiter in den Norden. Heute treibt es uns in die Highlands im Norden der Insel – hier trägt man traditionell einen karierten Rock und isst Schafsfleisch aus einem Schafsmagen. Die Rede ist von Schottland. Wir gehen weg von den Feiertagen und behandeln das traditionelle Instrument der Schott*innen: den Dudelsack.
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In der «Kulturschock – Serie» wird Grossbritannien in seine vier Länder unterteilt. Dies aufgrund der grossen kulturellen Differenzen zwischen den einzelnen Regionen des Staates. Auch in anderen Kontexten wie z.B im Fussball werden die Regionen des Landes in einzelne Länder unterteilt und einzeln behandelt.
Ich behaupte mal, dass schon jede Person die Musik eines Dudelsacks gehört hat. Es gibt einen lauten, stetigen Unterton, der sich konstant durchzieht – darüber liegen dann die verschiedenen Geräusche, die aus den «Pipes» kommen. Die Musik des Dudelsacks ist Geschmackssache, viele empfinden ihn als laut und etwas nervtötend, andere reisen extra an die Tattoo-Festivals, um den Klängen des Instruments zu lauschen.
Der Dudelsack, wie wir ihn kennen, gehört zu den Sackpfeifen – diese gehört zu der Familie der Holzblasinstrumente. Die Sackpfeifen sind in ganz Europa verbreitet, es gibt verschiedene Abwandlungen, die Verwendung und der Aufbau sind jedoch meist fast identisch.
Durch ein Mundstück bläst man Luft in den Luftsack, dort drin gibt sogenannte Einfach- und Doppelrohrblätter, die den Grundton erzeugen – dieser entweicht durch die «Bordunpfeife» und generiert so einen stetigen Ton. Am Luftsack angemacht gibt es diverse Grifflöcher, die das Spielen und Erzeugen von Melodien erlauben – somit kann man mehrere Töne mit demselben Instrument erzeugen.
Praktisch alle Sackpfeifen weisen diese Eigenschaften auf. Das Wort Dudelsack kann man als Synonym verwenden, doch es ist keine Lautmalerei. «Dudel» lässt sich von «duten/tuten» herleiten und bedeutet: Auf dem Hirtenhorn, Kuhhorn oder der Posaune blasen. Ein anderer möglicher Ursprung kommt aus dem türkischen Sprachraum und dem Wort «duduk», was so viel wie Pfeife bedeutet.
Auch wenn der sprachliche Ursprung nicht eindeutig bekannt ist, lässt sich historisch der Ursprung des Dudelsacks auf die Türkei oder Griechenland zurückführen. Die mögliche älteste Darstellung des Instruments kommt von einem Relief aus den Ruinen von der Stadt «Alaca Höyük» in der heutigen Türkei. Das Relief wird auf 1600 bis 1200 vor Christus geschätzt.
Eine andere mögliche Erwähnung des Instruments kommt aus Textstücken des griechischen Komödiendichters Aristophanes und lässt sich von 444 bis um ca. 380 vor Christus schätzen – aber auch hier ist man sich nicht ganz sicher, ob die Sackinstrumente gemeint sind.
Der Dudelsack ist also südeuropäisch und breitete sich von dort in ganz Europa aus. Lange waren die Sackinstrumente ein beliebtes Instrument europaweit, vor allem im Mittelalter wurden sie auf dem ganzen Kontinent für Feste oder um zum Tanz verwendet. Es ergaben sich immer mehr verschiedene Variationen des Instruments.
Wie genau er seinen Weg von der Türkei oder Griechenland nach Schottland geschafft hat, ist unklar. Doch die Bekanntheit erlangte das Instrument in Schottland durch seine Verwendung. Aus Dokumenten des 14. und 15. Jahrhunderts wird das Instrument erwähnt. Es war also schon damals in der schottischen Kultur verwurzelt. Die besondere Bedeutung erlangte der Dudelsack dann aber im militärischen Kontext. Im 16. Jahrhundert wurde der Dudelsack verwendet, um schottische Soldaten in den Krieg zu führen. Im Rest von Europa machten das beispielsweise Trommler oder Hornbläser.
Den Dudelsack aus Schottland, den wir alle kennen, ist eigentlich eine spezifische Variation der Dudelsäcke – es sind die «Grand Highland Bagpipes», die Leute, die diese Instrumente bespielen, sind «Piper.»
Auch in diesem Dudelsack finden sich drei Bordunpfeife (Drones) wieder. Die Spielpfeife wird «Chanter» genannt. Traditionellerweise besteht das Instrument aus einem Echtleder-Sack. Die Pfeifen sind aus Grenadill-Holz gefertigt, die Verzierungen an den Pfeifen bestehen aus Walross-Zähnen oder sogar Elfenbein. Heutzutage ist das jedoch nicht mehr üblich und die modernen Bagpipes werden aus künstlichen Stoffen aus besser erhältlichen Materialien hergestellt. Die Grand Highland Bagpipes kann man Solo oder in Bands spielen.
Eines der grössten Musikfestivals Schottlands gibt dem Dudelsack eine tragende Rolle – beim Royal Edinburgh Military Tattoo treffen sich Dudelsackspieler*innen aus aller Welt und treten vor dem bekannten Edinburgh Castle auf.
Tattoo bezieht sich hierbei nicht auf die Kunst auf Körpern, sondern kommt aus dem militärischen Kontext. Der Begriff Tattoo wurde hier als ein Synonym für «Abendappell» oder «Schlusskommando» verwendet. So wurden abends die Soldaten zurück ins Lager gerufen und man läutete so die Nachtwache ein. Heute beschreibt ein Tattoo-Festival eine Art Militär-Parade bzw. Militär-Musik-Festival.
Der Dudelsack erlangte durch das Edinburgh Tattoo Festival weltweit an noch mehr Bekanntheit. So etablierte sich in den 70er-Jahren in der Schweiz eine Szene musikbegeisterter Personen, die durch Schottland reisten und mit Dudelsäcken zurückkamen. Sie organisierten sich und besuchten Grundkurse in Schottland, um das Instrument zu beherrschen und das Wissen in die Schweiz zu bringen.
Schnell etablierte sich eine grosse Organisation daraus und über die Zeit hinweg entwickelte sich die Schweizer Version des Tattoo-Festivals aus Edinburgh – das Basel Tattoo. Es ist das weltweit zweitgrösste Tattoo-Festival und zieht jährlich zahlreiche Besucher*innen aus aller Welt an.
Ob einem nun die Melodien des Dudelsacks zusprechen oder nicht – und ob er nun schottisch ist oder nicht – ein ikonisches Symbol für das Land auf den britischen Inseln bleibt es auf jeden Fall.
Dunkelgrün: Schottland auf der Europakarte – Hellgrün: die bereits besuchten Länder
(Bild generiert auf mapchart.net durch Levin Geser)
Steckbrief zu Schottland:
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Alias-Studierende der ZHAW
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