Foto: Adolf Hitler begrüsst Leni Riefenstahl in ihrer Villa in Berlin-Dahlem (1937) / Kontaktbogen aus dem Bestand von Heinrich Hoffmann,
Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv/ Majestic Filmverleih
Filmkritik: Riefenstahl
03.12.2024, Autor: Lenard Baum
In der Dokumentation «Riefenstahl» wird ein kritisch-reflektiertes Bild von Leni Riefenstahls Lebenswerk gezeichnet. Der Film zeigt eine Frau, die in ihrer Arbeit zwischen künstlerischem Ehrgeiz und moralischer Ambiguität gefangen war.
700 Kisten Material: on privaten Ton- und Filmaufnahmen über Fotos, bis hin zu alten Interviews und Tagebüchern standen dem Dokumentations-Team aus Riefenstahls Nachlass zur Verfügung. Filmproduzentin und Moderatorin Sandra Maischberger und ihr Journalistenteam kämpften sich durch den Nachlass von Leni Riefenstahl, nachdem die erste Begegnung mit der grossen Filmemacherin des Dritten Reiches, die deutsche Moderatorin Maischberger eher ernüchtert hatte. Gemeinsam mit dem erfahrenen Dokumentarfilmer Andres Veiel entstand nun ein gemeinsamer Dokumentarfilm, der akribisch durch das Leben von Riefenstahl führt.
Durch das Arrangement der Bilder und Aussagen entsteht der Eindruck einer Person, die ständig zwischen verschiedenen Identitäten hin und her gerissen ist. Für den Zuschauer wird ein fast beklemmendes Bild gezeichnet, wie Riefenstahl trotz der moralischen Konflikte ihre Kunst und ihren Ruf als Visionärin bewahren wollte. Es sind besonders die Szenen ihrer Zeit in Afrika, in denen Riefenstahls widersprüchliche Haltung ans Licht kommt. In diesen Aufnahmen zeigt sich eine Frau, die mit einer fast kolonialen Perspektive das Volk der Nuba im Sudan inszenierte und danach in Interviews die Echtheit ihres Werkes betonte. So stellt die Dokumentation eine Abfolge durch das Leben von Leni Riefenstahl dar, mit Einsicht in sehr persönliche Dokumente welche gezielt im Gegensatz zu den offiziellen Interviews stehen und so gekonnt die vielen Gesichter der Filmemacherin, Mutter und Lebenspartnerin aufzeigen.
Was diesen sehr innigen Bildern entgegensteht ist der rare Einsatz des anonymen Kommentators. Nur selten meldet sich dieser zur Einordnung von Bildern oder Aufnahmen, was jedoch dazu führt, dass dieser sich eher wie ein Fremdelement anfühlt. Insbesondere da beim anfänglichen Einsatz nicht ersichtlich aufgezeigt wird, ob die Erzählstimme den Wegbegleiter oder als neutraler Kommentator spricht. Hinzu kommt die Fülle an Bildmaterial. Diese mag den Zuschauer gelegentlich überwältigen, was durch die sporadischen Einschübe der Interviews eine beinahe erdrückende Wirkung erzielt.
Kritik:
Die Dokumentation von Maischberger und Veiel schafft es durch sehr exklusives Material die Figur von Riefenstahl wie noch nie aufzuzeigen. Man zeichnet so nicht das Bild von nur einer Frau, wenn doch aufgezeigt wird, dass diese bemüht ist ein Bild einer unschuldigen Künstlerin weiterzugeben. Dies scheinen Veiel und Maischberger sich komplett bewusst in ihrem Film, in welchen Sie eher die grosse Anzahl an Aufnahmen für sich sprechen lassen und diese gekonnt so entgegenstellen, dass man eher die Widersprüche und die verschiedenen Bilder von Riefenstahl wahrnimmt.
Durch den bewussten Verzicht auf Einordnungen oder auch nur grundlegende Informationen entsteht jedoch eine Überforderung. So werden Personen aus der NS-Zeit nur selten erklärt, angesprochen oder gar benannt. Für ein Publikum, das bisher keinen Bezug zur Person Riefenstahl hatte, gibt es keine Möglichkeit, in irgendeiner Weise in diesen Film einzusteigen. Die Bilder, welche nicht direkt durch einen Off-Text-Leser unterstützt werden, der durch seinen geringen Einsatz eher verwirrt oder verloren in den sehr intimen Bildern Riefenstahls wirkt.
ZHAW-Note: 3/6
Foto: Majestic Filmverleih
Gesehen am Zürich Film Festival. Film ab dem 21.11.24 in den Deutschschweizer Kinos.
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